Jahrhundert-Legenden!

Jahrhundert-Legenden!

05.09.2024

Bericht über vier Sportclub-Institutionen!

Unsere Jahrhundert-Legenden Manni Niehaus, Joachim "Schoppa" Schulze, Helmut Berenbrinker und Meinolf Kleinhans trafen sich zu einem geselligen Abend in der Verler Kneipe Kampwirth. Die Geschichte, die dort erzählt worden sind, sind einfach der Hammer, aber lest selbst.

„Wenn wir schon mal hier sind, dann müssen wir auch einen Braken trinken“, sagt Joachim Schulze, als er auf der berühmten Empore bei Kampwirth Platz genommen hat. Was für ein Schulze?! Natürlich „Schoppa“ – mit diesem Spitznamen ist er zur Legende des Sportclub Verl geworden. Spätestens, als der Hochprozentige seine Kehle hinunterfließt, kommen bei ihm die Erinnerungen.  Von damals, als er unter anderem mit seiner Meistermannschaft von 1986 jeden Sonntag nach dem Spiel in der Vereinsgaststätte saß, und es neben Braken auch den unverwechselbaren „Schröderschen“ und meist auch das ein oder andere Bier gab.

Seine Anekdoten teilt er an diesem Abend mit drei weiteren Männern, die „ihren“ Sportclub Verl Jahre und Jahrzehnte geprägt haben: Manni Niehaus, der Jahrhunderttrainer, der in seiner Karriere nicht nur das Zepter an der Seitenlinie schwang, sondern auch als Präsident, Sportlicher Leiter, Spieler, Betreuer und Leiter der Geschäftsstelle. Unverkennbar mit damals noch vollem Haar und Schnäuzer. Außerdem: Helmut Berenbrinker – mit mehr als 600 Einsätzen einer der Rekordspieler des Sportclub Verl und Kapitän der ersten Meistermannschaft von 1970. Mittendrin: Meinolf Kleinhans – Lenker und Denker der 91er-Westfalenmeister, die sogar an der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga teilnahmen. „Hätten wir damals nicht ganz so viel gefeiert, hätte es sogar etwas werden können“, sagt der Mann, der nie für einen anderen Verein spielte, als für den SC Verl.

Dass die vier Ikonen an diesem Abend auf die alten Zeiten anstoßen, kommt nicht von ungefähr. „100 Jahre sind doch ein schöner Anlass, um sich mal wieder auszutauschen“, sagt Manni Niehaus, der der freundlichen Bedienung direkt hinterherwirft: „Heute bitte alles anschreiben. Auf Sportclub-Legenden.“ Zurecht! Zu spannend, zu mitreißend und allzu lustig sind die Geschichten, die die vier Oldies zu berichten wissen.

Der Sportclub war noch nicht einmal halb so alt, als sich Helmut Berenbrinker die Fußballschuhe für Schwarz-Weiß zuband. Und zwar nicht etwa an der Poststraße, sondern in der Marienschule – Luftlinie knapp einen Kilometer vom Fußballplatz entfernt. Das hatte besonders an „Verler Leben“ seinen besonderen Reiz: „Da mussten wir erst quer über den Platz und aufpassen, dass man uns unterwegs nicht noch das ein oder andere Bierchen anbot. Wir mussten ja noch spielen.“ Und nicht nur das. Netze aufhängen und nachher selbst wieder abhängen! Damals vollkommen selbstverständlich – genau wie die seiner Zeit eher weniger üppigen Siegprämien.

„Den Großteil haben wir eh bei Kampwirth gelassen. Und hin und wieder gab es noch ein paar Heißwürstchen aus der Dose“, erinnert sich Berenbrinker auch an ein Testspiel gegen Schalke 04. „Stan Libuda hat nicht schlecht gestaunt, als wir ihm zur Erinnerung ein Gläschen mitgegeben haben.“ 17 Jahre lang spielte der Mittelfeldstratege für den Sportclub vornehmlich auf der Achterposition, trug dabei die gleiche Nummer und galt dabei nicht gerade als Kopfball-Ungeheuer. „Helmut, spring nicht so hoch. Sonst kommst du am Ende noch als Schneemann runter“, hatte sein damaliger Trainer Leo Lewe ihm damals zugerufen. Achja – und auch Grätschen war nicht so seins. „Dreckige Hosen gab es bei Helmut nicht“, erinnert sich Manfred Niehaus. Aus gutem Grund: „Wer grätscht, hat vorher was verkehrt gemacht. Wenn ich erst grätschen muss, ist es meistens eh zu spät.“

Eben dieser Niehaus war es, der 1970 gemeinsam mit Berenbrinker die Meisterschaft für den Sportclub einheimste und damit gleichzeitig den Aufstieg in die Landesliga klar machte. Knapp gescheitert war man noch ein Jahr zuvor, damals mit tausenden Verler Zuschauern in Herford. „Da war damals keiner mehr in Verl, die waren alle beim Auswärtsspiel“, lacht Berenbrinker. Ein Jahr später lief es dann besser – mit einem bestens aufgelegten Manni Niehaus. Ein original Hamburger Jung, vom HSV nach der A-Jugend zunächst zum SVA Gütersloh gewechselt und nach einem kurzen Gastspiel von Siggi Meyer an den Ölbach gelotst – jedoch zunächst als Alkoholbremse galt.

Ja, wo kämen wir da denn auch hin, wenn sich damals alles nur ums Trinken gedreht hätte? Das Bierchen nach dem Spiel hatte er zunächst noch ausgelassen. Allzu lange hat aber auch seine Disziplin nicht gehalten. „Ich konnte auch ohne Alkohol lustig sein. Aber eben auch mit“, schmunzelt der Mann mit dem ehemals feinen Füßchen, der die Geselligkeit und die gemeinsamen Lieder in der Vereins-Wirtschaft immer geliebt hat, nach Niederlagen aber stundenlang nicht ansprechbar war.

Stringent, diszipliniert, prinzipientreu – das war Manni schon immer und deshalb auch Garant für den Verbandsliga-Aufstieg 1978. „Für mich war er aber noch mehr. Arbeitskollege, Freund und Trainer. Und Nachbar“, sagt „Schoppa“ Schulze. Letzteres wurde ihm einmal zum Verhängnis, als er in der Nacht vorm Spiel gegen Westerkappeln erst morgens um 5 Uhr nach Hause kam, was sein Coach Niehaus nebenan bemerkte und seinen eigentlich unverzichtbaren Akteur noch morgens vor dem Treffpunkt der Mannschaft um 10 Uhr bei Kampwirth zum Krisengespräch antreten ließ.

Trotz allem ließ er ihn von Beginn an spielen und gab ihm beim 0:1-Rückstand in der Halbzeit unmissverständlich zu verstehen: „Schoppa, du hast fünf Minuten.“ Die klare Botschaft nahm dieser wörtlich und stellte innerhalb von fünf Minuten mit zwei Treffern auf 2:1 für Verl.

Jeder Ur-Verler weiß: Der Schoppa, das war ein ganz besonderer Fußballer. Eigentlich zu Höherem berufen. 1978 im Profikader von Arminia Bielefeld unter Karl-Heinz Feldkamp, witterte Schulze seine Chance, als vor dem Spitzenspiel gegen Uerdingen gleich zwei Stürmer verletzt waren. Es hätte sein Durchbruch werden können – wäre das Spiel nicht ausgefallen. Starker Regen – und Schoppas Karriereträume flossen nur so dahin. „Zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagt der gebürtige Sennestädter, der auch verrät, woher sein Spitzname eigentlich kommt. „Ich habe damals immer auf ein kleines Nachbarsmädchen namens Jolly aufgepasst. Früher gab es mal einen Zeichentrick, in dem die Bulldogge Schoppa auf eine kleine Jolly aufpasst. Und zack – hieß ich Schoppa.“ Und eben dieser schlug es aus, in die zweite Liga oder gar nach Chile zu wechseln. Nein – er lernte schließlich den langjährigen Verler Förderer Rudolf Fortkord kennen, der ihn schließlich für den SC Verl begeistern konnte.

„Ein absoluter Glücksgriff für uns“, erinnert sich Manni Niehaus, der zu dieser Zeit gerade auch Präsident beim Sportclub war. Der klassische Torjäger war Schoppa nicht, obwohl er in zehn Saisons hintereinander immer zwischen 14 und 16 Treffer erzielte. „Heute würde man sagen, dass er die meisten Scorerpunkte hatte. Legendär im 1 gegen 1 mit seinen gestochen scharfen Flanken auf den langen Pfosten, wo er mit Didi Wedegärtner meist einen glücklichen Abnehmer fand. Mit der Qualität schaffte es das Team 1979 bis in die dritte Runde des DFB-Pokals. Um im höchsten deutschen Pokalwettbewerb überhaupt antreten zu dürfen, musste sich der SC Verl allerdings erst qualifizieren, was er durch einen furiosen Sieg gegen den damaligen Zweitligisten aus Herford auch schaffte. Total kurios: Die Poststraßen-Kombo musste damals mit einem Mix aus erster, zweiter und dritter Mannschaft antreten, wobei sich der spätere Präsident Arno Beckhoff noch einen Nasenbeinbruch zuzog.

Es sollte sich lohnen. Anschließend die erste Runde in Oldenburg. 2:1-Erfolg mit Siegtorschütze – na wer wohl – Schoppa Schulze. „Vorher gab es Bratkartoffeln für alle. Fettiger hätten wir wirklich nicht essen können. Jeder Ernährungsberater wäre hinten rüber gefallen“, erzählt er und erinnert sich besonders an die Rückfahrt. „Wir haben die Taschen nicht mehr in den Bus bekommen, weil alles voll mit Bier war.“ Auch vorm Zweitrunden-Match gegen Elversberg, dass der Sportclub mit 3:1 gewann, heißt es, dass es auf der Fahrt dorthin auf Hinwirken von Hans-Hermann Voßhenrich noch eine schmackhafte Hopfenkaltschale als optimale Vorbereitung auf das Pokalspiel gab.

Erst gegen die Stuttgarter Kicker mit einem gewissen Berti Voigts als Zuschauer war schließlich Endstation – bei Bodenfrost, als Manni Niehaus, damals noch Besitzer eines Sportgeschäftes, in einer Hauruck-Aktion noch kurzfristig Tausendfüßler-Schuhe auftrieb, um gegen den Zweitligisten überhaupt aufzulaufen. Leider war nur Ware für die Hälfte der Mannschaft vorrätig. 1:7 hieß es am Ende doch deutlich – doch große Enttäuschung? – schnell vergessen, erst recht, wenn man diese durch Geselligkeit wieder wett macht. Dienstag Training, Donnerstag Training und Mannschaftssitzung bei Kampwirth, woraufhin es häufig noch ins „Spinnrad“ und hin und wieder auch noch in die „Kalesche“ ging – die Kellerbar im der „Altdeutschen“. Freitags wieder Training, was eher dem „Ausschwitzen“ gleichkam. Und sonntag – das Spiel mit dem Showdown anschließend bei Kampwirth, als Vorstand, Sponsoren und weitere Anhänger schon an der Hintertür der Gaststätte warteten, um die Mannschaft im Spalier zu empfangen. „Wenn wir nicht so dolle gespielt haben, war das immer eine Art Spießroutenlauf“, erzählt „Schoppa“.

Spätestens, wenn die Prämien im „Kabuff“ verteilt wurden und der Boonekamp aus der berühmtberüchtigten Holztruhe befreit wurde, war alles wieder gut. Erst recht nach großen Siegen, bei denen sich vor allem Gönner und Hauptsponsor Wolfgang Beckhoff nicht lumpen ließ. Zweifelsohne war er es, der Ende der 60er Jahre wieder Schwung in den Verein gebracht hatte und ohne den der Sportclub Verl heute nicht dort wäre, wo er ist. Er war es auch, der erst den so genannten „Freundeskreis“ ins Leben gerufen hatte – einen Sponsorenring aus erfolgreichen Unternehmen, die nun gemeinsam auf dem Gaspedal standen. EGE, Nobilia, Beckhoff und natürlich Alulux – verbunden mit Namen wie Heiner Schröder, Rudolf Fortkord, Richard Hensdiek, Winfried Marquardt oder eben Wolfgang Beckhoff. Dass Letzterer überhaupt den Weg zum Sportclub fand, war Hans Rempe, genannt „Farmer“ zu verdanken, der den Verein ebenfalls lange unterstütze und auch heute noch hin und wieder die Heimspiele seines Herzensclubs besucht.

Lange Zeit kratzte das Team schließlich am Aufstieg in die Amateur-Oberliga, was 1986 dann gelang. Ein Jahr zuvor stand nur noch der FC Recklinghausen vor dem SCV in Tabelle – und das mit einem gewissen Manfred Niehaus als Trainer, der sich für ein paar Jahre aus Verl verabschiedet hatte, dann aber doch den Weg zurück in die Gemeinde fand und zunächst die A-Jugend als Trainer auf Vordermann brachte.

Doch zurück zur Meisterfeier 1986! Ein Spektakel mit einer gerammelt vollen Hauptstraße mitten in Verl. Auf dem Rückweg aus Stadtlohn wartete die Feuerwehr bereits an der Autobahnausfahrt, um den Mannschaftsbus bis ins Dorf zu eskortieren. Auf dem vordersten Sitz: Trainer Fritz Grösche, „der Schleifer“. Eine Institution in der Region und ein Freund des Leistungsfußballs gleichermaßen. „Einmal wollten wir ihm in einer Mannschaftssitzung erzählen, dass wir von seiner Seite ein wenig die Kameradschaft vermissen“, berichtet „Schoppa“ Schulze. „Ihr seid mal schön ruhig. Ihr habt mir alle nicht zum Geburtstag gratuliert“, entgegnete damals Grösche. „Da war Ruhe und das Thema gegessen.“

Grösche war nicht irgendein Trainer. Ein besonderes Auge für Talente hatte er ebenfalls. So auch für Meinolf Kleinhans, Spielmacher, Mitglied der 86er-Meistertruppe und mit mehr als 100 Toren in zwölf Jahren aus den Geschichtsbüchern des Vereins nicht wegzudenken. Gespielt hat er sein Leben lang nur in schwarz-weiß. Da konnte selbst ein gewisser Otto Rehhagel nichts gegen ausrichten. 1985 war es, als Grösche ihm ein Probetraining bei Werder Bremen und „König Otto“ organisiert hatte. Kleinhans lehnte dankend ab. „Als ich den Termin überprüft hatte war mir aufgefallen, dass sich das Training mit der Mannschaftsfahrt nach Mallorca überschnitten hat. Da hatte ich halt einfach keine Zeit.“

Und so sorgte „Der Zehner“ oder auch „Der Kompletteste“ weiter beim Sportclub Verl für Aufsehen. Das Spiel schnell machen, Tempowechsel und gefährlich auf dem ersten Pfosten lauern, wenn „Schoppa“ die scharfen Flanken in die „Box“ knallte – das konnte er besonders gut. Und so steuerte er seinen Teil zur Meisterschaft der Amateur-Oberliga 1991 bei. „Wahrscheinlich eine der stärksten Mannschaften, die wir jemals in Verl hatten“, sagt Kleinhans, während Manni Niehaus ihm zunickt. „Und das alles mit einem 18er-Kader. Das wäre heute unvorstellbar“, erzählt Meinolf, während er die Zeitungsartikel auf dem Tisch verteilt, die nun schon älter als 30 Jahre sind, aber gepflegt erscheinen, als seien sie erst kürzlich erschienen.

Das einzige Mal in seiner Geschichte nahm der SC Verl dann an der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga teil, verpasste den großen Coup aber am Ende. „Wir hatten keinen Druck vom Verein – und vielleicht waren wir auch nicht unbedingt die allerdisziplinierteste Truppe. Dafür hatten wir sicherlich den größten Spaß“. Wenn er heute regelmäßig bei den Spielen der Profimannschaft in der Sportclub Arena zuschaut, dann wird er jedoch etwas wehmütig. „Da hat man einfach das Gefühl, man hätte in dieser Truppe mit den heutigen Voraussetzungen auch gerne gespielt.“

Dennoch überwiegt bei allen vier Legenden auf der Kampwirth-Empore der Stolz, Teil der Geschichte dieses außergewöhnlichen Vereins zu sein. „Alles zu seiner Zeit“, sagt „Schoppa“, während er seinem alten Freund Manni Niehaus zuprostet. „Manni und der SC Verl – das gehört einfach zusammen“ sagt er, während dieser noch ein kleines Ründchen bestellt und über Zeiten philosophiert, als Namen wie Roger Schmidt, Arne Friedrich, Reiner Plaßhenrich oder Ansgar Brinkmann noch gar nicht auftauchten.

„Wenn wir damals hier gesessen haben, haben wir an alles gedacht. Aber nicht an morgen.“ An diesem Abend ist das anders. Die Zeiten haben sich eben geändert. Die Erinnerungen bleiben. Bei Helmut Berenbrinker, Schoppa Schulze, Meinolf Kleinhans und Manfred Niehaus. Darauf noch einen Braken. „Dann ist aber Schluss.“

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